Durch alle Angebote im und rund um das Kinderhaus zieht sich der pädagogische Faden der Montessori-Pädagogik mit den Schwerpunkten für den Entwicklungsbereich der 3-7-Jährigen. Dabei machen wir uns in allen Themenbereichen fortwährend Gedanken, wie wir die klassischen Montessori-Inhalte zeitgemäß anbieten können. Auch wenn sich die Umwelt und die Anforderungen für die Kinder stetig verändern, achten wir auf die „echten“ Bedürfnisse unserer Kinder nach Bewegung, Sinneserfahrungen, Sprachentwicklung, soziale Entwicklung und das hohe Bedürfnis eines jungen Kindes nach Ordnung und Struktur, denn:
„Für das Kind ist die Ordnung das, was für uns der Boden ist, auf dem wir stehen, was für den Fisch das Wasser ist, in dem er schwimmt“. (Maria Montessori)
Maria Montessori hat in ihrer Arbeit mit den Kindern entdeckt, dass in den Kindern ein Drang zum Lernen steckt. Besonders junge Kinder sind von Natur aus neugierig, sie lernen mit allen Sinnen, sie möchten selbst tätig sein und sie freuen sich am Erfolg. Daher entwickelte die Pädagogin für nahezu alle Bereiche Materialien, die das Kind ästhetisch ansprechen und zur Tätigkeit geradezu auffordern: „Nimm mich und spiel mit mir!“ Allerdings ist nicht alles im Sinne der Montessori-Pädagogik auch geeignet. Sowohl für die klassischen Materialien wie auch für die Umsetzung ergänzender Ideen gelten klare Prinzipien, an denen man einen Montessori-Kindergarten erkennen kann.
Die „Übungen des praktischen Lebens“ nehmen einen großen Teil unsere Beschäftigungen ein. Vom ersten Besuchstag an löffeln und schütten die Kinder vielfältige Materialien aus verschiedenen Gefäßen. Sie stecken und schrauben, öffnen und schließen, gießen, waschen, und, und, und, weil es ihnen Freude macht. Es geht also zu Beginn um das eigentliche Tun, die Handlung an sich.
Mit zunehmendem Alter werden die verschiedenen Tätigkeiten dann zielgerichteter und auf ein Ergebnis ausgerichtet. Die Kinder binden Schleifen, schließen Knöpfe, putzen Schuhe und vieles mehr. Ging es beispielsweise im frühen Alter um die Bewegung des Hämmerns, schlägt das Kind nun bewusster den Nagel ein, weil es eine Verbindung schaffen möchte, oder etwas an dem Nagel aufhängen will.
Alles, was die Kinder dazu brauchen, ist bei uns vorhanden und für das Kind bereitgelegt. Maria Montessori nennt das die “vorbereitete Umgebung". Wenn sich dann ein Kind für die Tätigkeit interessiert, zeigen ihm die Erwachsenen, wie es funktioniert und dann heißt es: ausprobieren, so oft das Kind dies möchte.
„Über die Hand in den Geist“ – „vom Greifen zum Be-greifen“! Diese Begriffe haben Sie bestimmt schon oft gehört. Maria Montessori hat ihre Materialien so gestaltet, dass die Kinder für alle Sinnesbereiche ihre Erfahrungen machen können. In jedem Angebot wird zunächst eine Eigenschaft isoliert, sodass alle anderen Sinne nicht wirklich eingesetzt werden können, um an ein Ergebnis zu kommen. Dadurch konzentriert sich das Kind konkret auf diesen einen Sinn oder eben eine Schwierigkeit. Durch Wiederholen, man könnte auch sagen „sich üben“ wird das Kind immer sicherer in der Anwendung und baut auf den gewonnenen Erfahrungen auf. Das junge Kind ist besonders in der heutigen Zeit vielfältigen Reizen und Eindrücken ausgeliefert. Das Montessori-Material hilft ihm, diese Eindrücke zu unterscheiden, sie zu ordnen, sie einzusortieren. So wächst es in eine Welt der Dimensionen, der Farben und Formen, der Oberflächen und Materialstruktur hinein. Es unterscheidet Gewichte, Wärme,
Temperaturen, Geräusche und Töne, Gerüche und Geschmäcker.
Jedes Material (nicht aber Gebrauchsgegenstände wie Stifte und Scheren) ist in der Regel nur einmal vorhanden und für das Kind so vorbereitet und erreichbar platziert, dass es direkt loslegen kann, wenn ihm einmal gezeigt wurde, wie die Sache funktioniert. Die Ordnung im Gruppenraum und die Anordnung des Materials erleichtern dem Kind die konzentrierte Eigentätigkeit. Hinzu kommt, dass jede Aufgabe in sich die Möglichkeit birgt, sich selbst zu kontrollieren. Das macht unabhängig von der Einschätzung des Erwachsenen. Wichtige Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass ein Kind frei wählen kann, was es macht, wie lange es sich beschäftigt und mit wem. Es lernt im Kindergarten immer mehr, für sich selbst zu entscheiden und Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Die Erwachsenen begleiten das Kind auf diesem Weg in die Selbstständigkeit und führen es mit Feingefühl für die Entwicklungsphase des jeweiligen Kindes an immer umfangreichere Beschäftigungsformen heran.
„Wenn die Kinder frei sind zu wählen, so wählen sie etwas, das bedeutsam für ihre Entwicklung ist“ (Maria Montessori)
Vielleicht erklärt dieses Zitat Montessoris, warum Kinder sehr häufig Tätigkeiten wählen, die wir Erwachsenen mit Sprache in Verbindung bringen. Die Fähigkeit zur Kommunikation wird immer bedeutsamer und rückt in den Fokus der Lern- und Lehrpläne. Nicht nur deshalb, sondern weil Sprache auch Spaß macht, lesen wir viel im Kinderhaus vor, dem einzelnen Kind, einer kleinen Gruppe oder auch im Kuschelkissenkreis. Daneben bieten wir viele Anreize zum Gespräch, je nach Thema über „Gott und die Welt“ und greifen die Erlebniswelt der Kinder auf. Gemeinsam suchen wir nach Ausdrucksmöglichkeiten für Gesehenes oder Empfundenes, im persönlichen Gespräch wie auch in der großen Runde. Wir erzählen und erfinden Geschichten, reimen und dichten. Ähnlich wie beim Begreifen durch Greifen finden wir durch Sprechen zur Sprache. Dass Sprache im frühen Alter heute eine große Bedeutung beigemessen wird, kann man auch im Bildungs- und Erziehungsplan für Tagesstätten in Bayern nachlesen: „Sprachkompetenz ist eine Schlüsselqualifikation und sie ist eine wesentliche Voraussetzung für schulischen und beruflichen Erfolg, für eine volle Teilhabe am gesellschaftlich-kulturellen Leben.“ Daher arbeiten wir im Kinderhaus intensiv mit den Möglichkeiten der Sprache, zunächst natürlich im Deutschen. Gerne regen wir in unseren Morgenkreisen auch andere Sprachen an, das darf dann auch einmal der bayrische Dialekt sein.
Die große Leidenschaft Maria Montessoris für die Naturwissenschaften spiegelt sich besonders in ihren Materialien für den Bereich der Zahlen, der Mengen und der Geometrie wider. Aus den Übungen des täglichen Lebens und dem Sinnesmaterial heraus entwickelt sich immer mehr das Verständnis für Dimensionen, Ordnungen, Zusammenhänge. Die Freude am Tun und Ausprobieren, am Entdecken mündet immer mehr in zielgerichtete Tätigkeiten. Das Kind möchte nun Begriffe für seine Beobachtungen haben, es sucht nach Bestätigung für seine Theorien. Das Material unterstützt konkret, wieder über die Sinne, was wir im zunehmenden Alter immer mehr abstrahieren.
Spielerisch wird der Umgang mit Zahlen, Mengen und Formen so in unsere Umwelt eingebettet, dass indirekt mathematische Erkenntnisse vorbereitet werden. Gleichzeitig werden Mathematik und Geometrie als etwas Selbstverständliches empfunden, genau so eben, wie die Übungen, die Erfahrungen mit den Sinnen, der Umgang mit Sprache.
In der kosmischen Erziehung beschreibt Maria Montessori ihr Anliegen, den Kindern die Wechselwirkung von Mensch und Natur nahe zu bringen. Dabei sind ihr zwei Blickwinkel wichtig: Der Blick auf das Ganze, die Erde, den Kosmos und der Blick auf jedes Teil, jedes Lebewesen, jeden Stein. Die Kinder sollen erfahren und verinnerlichen, dass wir ein Teil des Kosmos sind und in vielfältiger Beziehung zu allen Lebewesen und Dingen stehen; so kann Wertschätzung und Liebe zu unserer Umwelt wachsen. Bei Naturbeobachtungen an Waldtagen und im Garten, beim Aussähen von Samen, Pflegen von Pflanzen im eigenen Beet, beim Experimentieren mit Wasser und Erde erhalten die Kinder im Tun einen Bezug zu ihrer Umwelt.
„Deshalb ist es nicht unser Ziel, das Kind etwas verstehen zu lassen, sondern seine Imagination so zu berühren, dass sein innerster Kern begeistert wird“ (Maria Montessori)
So können die Kinder spielerisch großes Verständnis für unsere Erde entwickeln und sich dadurch ein grundlegendes Wissen aneignen.
Kinder haben einen natürlichen Antrieb zur Bewegung, fast könnte man sagen, einen natürlichen Bewegungsdrang. So erschließen sie sich zunächst über die grobe Motorik ihre Umwelt, sie richten sich auf, machen ihre ersten Schritte und sind stetig daran, ihr Gleichgewicht, ihre Koordination zu verbessern. Gleichzeitig begreifen sie immer mehr dieser Welt, indem sie Bewegungen feiner abstimmen und immer mehr mit dem Auge und einer nuancierten Konzentration in Verbindung bringen. Wenn Sie sich das bisher Gelesene aus den Bereichen der lebenspraktischen Übungen, der Sinneserziehung u.a. noch einmal ins Gedächtnis rufen, stellen Sie vielleicht fest, dass dieses Grundbedürfnis in nahezu allen Angeboten berücksichtigt wird. Das Kind ist während seiner konzentrierten Beschäftigungen nahezu immer in Bewegung.
„Das Kind muss sich immer bewegen, kann nur aufpassen oder denken, wenn es sich bewegt.“ (Maria Montessori)
Darüber hinaus schaffen wir Spielräume für die große Bewegungsfreude der Kinder im Nebenraum, in unserem Garten mit Hügel und auf Ausflügen in die Natur. Diese Zeiträume nutzen unsere Kinder besonders gerne, um ihren Drang nach Bewegung, nach Kommunikation, nach Kooperation oder auch nach Unabhängigkeit nachzukommen. Selbst wenn die Erwachsenen mit einem wachen Blick für die Situationen in Rufbereitschaft stehen, sind die Kinder doch auf sich gestellt. Das stärkt neben der körperlichen und geistigen Entwicklung auf natürlichem Wege auch die seelischen Reifungsprozesse.
Die Kinder können beim Theaterspielen, Musizieren, Tanzen, Arbeiten an der Werkbank, beim Malen, Basteln, Töpfern, Weben und Nähen ihren Ideen freien Lauf lassen. Die Erzieherinnen unterstützen sie dabei, indem sie in vielfältige Techniken, Materialien und den Umgang damit einführen. Auch hier halten sich die Erwachsenen an das Grundprinzip: So viel wie nötig, so wenig wie möglich einmischen! Die Kinder genießen das stolze Gefühl, ihre Werke alleine gemacht zu haben. So regen wir die Kinder an, mit ihren Sinnen wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Gemeinsam mit dem Kind stärken wir es in seiner eigenen künstlerischen Ausdruckskraft , indem wir mit ihm aufrichtig, und dennoch achtsam über das Geschaffene oder das Erlebte reflektieren. Mit den Kindern finden wir Worte für ihre Empfindungen, setzen ihre Gefühle in Bewegung, Form, Farben, Objekten und anderen Möglichkeiten um und stehen ihnen beratend zur Seite.
Einen besonderen Schwerpunkt setzen wir im Kinderhaus in Stockdorf auf die Verbindung von Musik, Tanz, Theater, Sprache und Kreativbereich denn…
„…während es (das Kind) sich in wiederholten spontanen Übungen ausarbeitet, werden Fähigkeiten geübt, die sich mit anderen Fähigkeiten kombinieren und später neue Tätigkeiten hervorrufen, bis wir am Ende zu den höchsten und vielschichtigsten Betätigungen des Menschen kommen – Literatur, Kunst, Handwerk, Wissenschaft, Musik, Tanz, Schauspiel. Es ist alles ein Gewebe von Erscheinungen – un intreccio di cose.“ (Maria Montessori)
Kinder erleben Musik, Kinder lieben Musik. Besonders junge Kinder leben noch im Rhythmus. Sie lieben aber auch das Wechselspiel aus Ruhe und Bewegung, Stille und Dynamik. Montessori hat mit ihren Mitarbeiterinnen schon vor 100 Jahren an die Angebote zur Musik gedacht. Jedoch gewinnt die (früh-)musikalische Erziehung in der Bildung erst in den letzten Jahren an Bedeutung, weil man inzwischen die positive Wirkung auf die Entwicklung der Persönlichkeit, speziell des Gehirns nachweisen kann. Wir machen Musik aber vor allem, weil es Spaß macht. Auch in diesem Bereich erinnern wir uns daran: vom Greifen zum Begreifen, vom Sprechen in die Sprache… über das Musizieren, das Singen zur Musik. In der Musik vereinen wir alle anderen Entwicklungsbereiche. Wir benötigen die Sinne, die Sprache, ein Mengenverständnis, die Bewegung, also alles, das man als kognitiv bezeichnen könnte. Hinzu kommen jetzt aber noch die Emotionen, die Ausdrucksfähigkeit. Und so schließt sich der Kreis im musisch-ästhetischen Bereich hin zu kleinen Singspielen, zu denen wir auch die Eltern einladen.
Musik lebt in unserem Kinderhaus, nicht nur durch die Kinder und die Erzieherinnen, sondern durch das gemeinsame Erleben mit den Eltern. Regelmäßig musizieren wir gemeinsam, sei es in unseren täglichen Singkreisen, zur Adventszeit, bei kleinen Konzerten für die Kinder oder auch mit großen Einlagen unserer Kindergartenband.
Musik lebt aber auch durch unsere Musikecke, in der sich die Kinder frei für eine Beschäftigung entscheiden können. Dort stehen klassische Montessori-Musik-Materialien bereit, genau so wie echte Instrumente, mit denen experimentiert werden kann. Möchte ein Kind für seine externe Musikstunde üben, ist auch dies möglich. Musik wird so zur Selbstverständlichkeit, sie lebt.